Sitzendorf, 11. März 1905
Zum Schulneubau geht uns folgendes Eingesandt zu:
Das alte Schulhaus genügt nicht mehr und so hat sich der Bau eines neuen nicht mehr länger
aufschieben lassen.
- Eine neue Schule wird gebaut, jubeln unsere Kleinsten. - Allein jeden Familienvater, welcher Kinder in das neue Haus zu schicken haben wird, sind schon seit Langem einige Bedenken aufgestiegen. Nicht in Bezug auf das neue Schulhaus selbst, wohl aber in Bezug auf den Platz. Der gewählte Platz muß einfach als der ungeeignetste und ungünstigste bezeichnet werden, zumal hier Bauplätze für ein Schulhaus tatsächlich drei- bis vierfach vorhanden sind. Gehen wir auf die Platzfrage einmal etwas näher ein.
1. Man setzt das Schulgebäude, das doch nicht zum Wenigsten auch zur Zierde des Ortes gereichen soll, in eine Ecke des Dorfes, direkt an das Schwarzaufer, wo zu Winterszeiten wohl nie, oder höchst selten ein Sonnenstrahl durch die Fenster unsere Lieblinge erfreuen wird. Die Schulsäle, die wie verlautet nach der Seite der Schwarza zu liegen kommen, werden somit im Winter ununtebrochen von der eisigkalten und zugigen Luft, die die an Gewässern überall empfindlich zu spüren ist, bestrichen. Wie gesdenkt man denn eigentlich diese Säle genügend und dauernd warmgenug zu halten für den Unterricht? Ist es denn etwa ein Vergnügen für die Kinder der unteren Klassen, also der Kleinsten, stundenlang an derartigen von eiskalter Luft bestrichenen Fenstern zu sitzen? Haben wir in unserer Zeit nicht schon genug bei unseren Kindern mit allerlei Krankheiten zu kämpfen, daß man bei derartigen Bauten solche Tatsachen ganz und gar außer
Acht läßt?
2. Man setzt das Schulhaus einfach neben ein großes Fabrik-Etablissement, einer Porzellanfabrik, und dabei in ganz unmittelbare Nähe einher größeren, nach unserer Schätzung wohl an hundertpferdiger Dampf-Kesselanlage. Muß es schon überhaupt auffallen ein Schulhaus dicht neben einer Fabrik, so muß es um so eher Besorgniß erregen seine Kinder in unmittelbarer Nähe einer solchen gefährlichen Einrichtung zu wissen. Wie oft sind schon, selbst bei sorgfältiger Bedienung Dampfkessel-Explosionen vorgekommen, die ganz ungeheures Unglück angerichtet haben?
3. Außerdem befindet sich in denselben Kesselgebäude dieser Fabrik bedeutende Akkummulatoren-Batterien, die doch bekanntlich mit Schwefelsäure gefüllt sind und Dämpfe entwickeln.
Derartige Räumlichkeiten dürfen deshalb auch nicht mit offenen Lichte betreten werden, wegen der damit ebenfalls verbundenen Explosionsgefahr, und müssen stets gut gelüftet sein. Vor den Schulfenstern lagern deshalb nun, da die genannte Fabrik sich gerade westlich vom Schulgebäude befindet ununterbrochen
1) die allgemeinen Ausdünstungen der Fabrik, die doch wohl auch nicht als gerade
angenehm zu nennen sind;
2) der stete Kohlenrauch und Staub von Schmelz- und Brennöfen, und
3) die Schwefeldämpfe der elektrischen Batterien.
Angesichts solcher Tatsachen muß man sich fragen, ob denn überhaupt von unseren Herren Gemeindevertretern die Platzfrage geprüft wurde? Jedenfalls ungenügend und mangelhaft; zu dem der Platz allein nicht einmal verwendbar war ohne den erst dazu Erworbenen, und Spritzen und Steigenhaus auch zum Ueberfluß erst abgerissen und anderswo erst aufgebaut weden mußten. - Abgesehen davon, ob es nicht möglich und vorteilhafter war die alte Schule überhaupt zu verkaufen, oder die ältere Hälfte abzureißen und an deren Stelle ein der neueren Hälfte entsprechend passendes Gebäude auszuführen, - das Gebäude dürfte sehr wohl noch erweiterungsfähig sowohl nach Süden wie nach der Stassenseite sein und hätte dann nach allen Seiten sehr hübsche und anständige Fronten ergeben mit sehr schön gelegenen und gesunden Räumen,- so hat man aber doch in der Baumschule, die für den Ort ganz und gar nichts nützt, sondern nur Geld kostet den schönsten Platz zur Verfügung; die Schulsäle nach Süden (Schwarza) Wohnungen nach Norden (Straßenseite), so das beide Schulen, alte und neue, dann einen gemeinsamen reichlich großen Schulhof oder Spielplatz bekommen. Oder die für die neue Schule Spielplatz unter der Georglinde, und wenn man ja eine Baumschule nötig, das dürfte aber die Ansicht sehr weniger sein, dann konnte die selbe nach dem Grundstück verlegt werden, wo man jetzt die Schule hinbringen will? Oder hat man denn nicht auch in Erwägung gezogen die jetzige Schule überhaupt in lauter Schulräume umzuwandeln? Es gäbe gewiss vier große schöne Schulsäle. Platz muss ja vorhanden sein, da im Sommer noch einige Räume an Fremde vermietet werden, und baute auf dem Platz der Baumschulen nur Lehrerwohnungen? Ausserdem hat die Gemeinde noch andere Bauplätze innerhalb des Ortes, die sog. Ochsenwiese. Oder wenn ein Grundstück gekauft werden sollte, wie es jetzt noch geschehen musste, warum setze man sich nicht auch mit dem Landwirt Hermann Gröschner in Verbindung, zwecks Erwerbs einer kleinen Fläche von dessen Garten und baute die Schule auf den Platz des früheren alten Spritzenhauses? Alle diese Plätze sind in Bezug auf ihre Lage bedeutend besser als der gewählte Platz an der Schwarza. Und was ist man im Stande gegen diese Plätze vorzubringen? Nichts weiter als daß die selben zu unruhig seien! Worin sieht man denn nun eigentliche wieder diese angeblich große Unruhe, die eventuell den Unterricht stören soll, jetzt wo die Bahn durchgeführt ist und der ganze Verkehr des oberen Schwarze- und Lichtetals, der früher hier nach Blankenburg ging, in Wegfall gekommen ist? Etwa in den paar Wagen die täglich nach hier durchfahren? Fürwahr das ist kein Grund, unsere Kinder in einem im Winter durch besondere Kälte, im allgemeinen sich durch die denkbar ungünstigsten Verhältnisse ausgestatten Winkel unterzubringen, auf Kosten der Gesundheit. Wo baut man anderswo die Schulen hin? Zum Beispiel die neue Schule in Schwarza, steht dicht an der Bahn und noch dazu an einem übergange, wo täglich unzählige Male gebimmelt und gepfiffen wird und an einer Straße deren Verkehr überhapt keinen Vergleich mit unserer stillen Dorfstraße zulässt. Und der Unterricht soll gewiß auch nicht gestört werden. Man braucht sich somit nicht zu wundern, wenn wegen der Schulbau-Angelegenheit großer Unwille sich in allerhand Art und Weise Luft macht. Es hätte gewiß einen nur angenehmen Eindruck hinterlassen wenn unsere Gemeindebehörde wie anderwärts auch, über eine derartige wichtige Frage wie Schulbau eine Gemeindeversammlung (was sie ja zwar nicht brauchte) gehört hätte, und somit die unbedingt notwendige Fühlung mit ihren Bürgern, durch deren Vertrauen sie doch eigentlich erst dazu berufen, sich bewahrte. Nun, die Herren werden ja die Konsequenzen ihres Wirkens selbst zu ziehen haben