Die Kaffeekriese von 1977

Nach dem sächsischen Motto „Ohne Gaffee gönn mer nich gämpfn!“ geben DDR-Bürger
3,3 Milliarden Mark pro Jahr für Kaffee aus, fast ebenso viel wie für Möbel und nahezu doppelt so viel
wie für Schuhe. Die Kaffeekrise beginnt eigentliche schon 1976. Die Weltmarktpreise für Kaffee sind
aufgrund einer Missernte in Brasilien dramatisch angestiegen. Statt zirka 150 Millionen Valutamark
muß die DDR fast 700 Millionen, etwa 300 Millionen Dollar, für Kaffeeimporte ausgeben.
Die SED-Führung drosselt die Importe von Nahrungs- und Genussmitteln, um die benötigte Devisen
für den Import von Erdöl zur Verfügung zu haben. Das ZK-Mitglied Werner Lamberz kann mit
Waffen- und Tauschgeschäften („Blaue gegen braune Bohnen“) mit Äthiopiens Diktator Mengistu
die von Alexander Schalck-Golodkowski empfohlened Einstellung der Kaffeeproduktion noch abwenden.
Von einer Kontingentierung des Kaffees wird abgesehen, denn man geht davon aus, dass die Bevölkerung
in der Lage ist, sich über ihre Verwandten in Westdeutschland mit Kaffee zu versorgen.
Tatsache ist, dass bis zu 25 Prozent des gesamten Kaffeeverbrauches in der DDR in den Jahren von 1975
bis 1977 als Bestandteil des klassischen Westpakets aus der Bundesrepublik kommen. Die bis dahin
angebotene preiswerteste Kaffeesorte „Kosta“ wird eingestellt. Nur noch die erheblich teureren
Kaffeesorten „Rondo“ und „Mona“ werden angeboten. Nicht nur die teuren Sorten sollen den Verbrauch
senken. Zusätzlich kam mit dem „Kaffee-Mix“ eine neue, sogenannte Mischkaffeesorte auf den Markt.
Der „Kaffee-Mix“ bestand aus 50 Prozent Kaffee. Die anderen 50 Prozent bestandenen aus gerösteten
Erbsen, Gerste und Zuckerrübenschnitzel. Dieses Machwerk wird „Erichs Krönung“ genannt und wie
nicht anders zu erwarten, von den Bürgern mit lautstarken Protesten abgelehnt.
In der Gastronomie führt der Kaffeemix zu Ausfällen an den Kaffeemaschinen, da der Mixtur unter anderem
Erbsenmehl beigemischt ist. Das darin enthaltene Eiweiß quillt unter Druck und Hitze auf und verstopft die
Filter. Es kommt zu zahlreichen Eingaben und empörten Reaktionen gegenüber verschiedenen Gremien,
und zu scharfen Protesten: „Jacobs ist die Krönung, aber Kaffee-Mix ist der Gipfel.“
Die wirtschaftliche Lage in der DDR verschlimmert sich von Jahr zu Jahr.
Der „Kaffee-Mix“ bleibt keine Ausnahme. Der Dresdner Christstollen, beschert der DDR-Wirtschaft
ebenfalls Probleme, da Zutaten wie Mandeln, Korinthen und Orangeat nur gegen Devisen erhältlich sind.
Alexander Schalck-Golodkowski kann sich 1978 mit einem, ernsthaft geplanten, „Stollenschenkverbot“
aber nicht durchsetzen.